Gleich wie dorten der Engel des HErrn dem heiligen ApostelPetro die Ketten auflösete / die Thür des Gefängnisses aufthate / und Ihn in die völlige Freyheit führete / Act. XII, 7. Seqq.; Also hat der Todt / als ein Bote GOttes / unsere seelige Fr. Burgermeisterin der Bande dieser Eitelkeit entrissen / und Ihrer Seelen den Ausgang gewiesen / aus diesem Leibes—Kerker / in die seelige Freyheit der Kinder Gottes einzugehen.

Denn es heisset selbiges eigentlich eine Enge / wenn man nemlich dergestalt enge eingeschlossen / und gleichsam eingepresset ist / daß man nirgend nicht auskommen kan. Wie etwan die Gefängnisse bey den Jüden so enge waren / daß der Gefangene / so hinein gestecket wurde / sich weder regen / noch bewegen / weder aufgericht stehen / noch sitzen / noch liegen konte / wodurch denn derselbe recht sehr geängstiget und gequälet ward: Eben also wird das Hertz von grosser Angst und Bangigkeit dergestalt eingezwänget / daß es in heissen Seufftzern sich vor GOtt ausschütten / und klagen muß: . . .

Dieses ist gewiß daß dieser alte Weltweise [Pythagoras] / und die seiner Lehre angehangen / ihre gantze Weißheit in den Zahlen verstecket und verborgen haben. Unter denen Christen / hat im vorigen Seculo, Petrus Bungus ein gantzes grosses Buch / von den Geheimniß—vollen Bedeutungen der Zahlen geschrieben. Und noch vor wenigen Jahren / hat sich einer unter einem verdeckten Nahmen gefunden / der die Haupt—Stücke unser Christlichen Religion / auf eine besondere Art / nach des Pythagoræ Principiis, aus den Zahlen hat erklären wollen.

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Alleine das sind reine unnütze Erfindungen müßiger Menschen / die keinen andern Grund / als die blosse Phantasie und betrügliche Einbildung haben; wo sie nicht gar aus des Satans—Schule herrühren / der durch solche falsch—berühmte Künste / die Menschen von der wahren / und in der Heil. Schrifft / so deutlich offenbahrten Erkäntniß GOttes abführen / und hingegen zu allereley Aberglauben / Irrthum / und Gottloses Wesen verleiten wollen: Daß ich dannenhero dergleichen Rechen—Kunst / aus nimmermehr was gewisses und gründliches wird erwiesen werden.

Wer sind aber diejenigen / die Er errettet? GOTT spricht: Er begehret mein / Er kennet meinen Nahmen &c. Da zwar Göttliche Majestät in Masculino, als von Manns—Personen redet; doch sind fromme und Gottselige

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Weibes—Personen deßhalben nicht ausgeschlossen. Es fand sich Anno 1595. ein ungenannter Scribent, welcher in einer besonderen Schrifft erweisen wolte / daß eines theils die Weiber keine Menschen wären; andern theils auch kein Theil an den Gnaden—Verheissungen Gottes hätten. [Disputation nova contra Mulieres, qua probatur eas homines non esse. Anno 1595. Edita. Autor Valens Acidarius.] Allein zu geschweigen / daß die Weiber so wohl die wesentliche Stücke / daraus ein Mensch bestehet / nemlich Leib und Seele an sich haben / als die Männer: So hätte dieser leichtsinnige Mensch doch bedencken sollen / was Moses von der Schöpfung der ersten Menschen schreibet: Gott schuff sie ein Männlein und Fräulein / und seget sie / und hieß ihren Nahmen Mensch. Genes. V,2. Und wie könte doch / wenn die Weiber keine Menschen wären / der gebenedeyte Heyland / der ohne Zuthuung eines Mannes / von einem Weibe gebohren worden / eines Menschen Sohn genennet werden: Mit welchem Nahmen doch die Heil. Schrifft Ihn sehr offt beleget. Was aber die verheissene Gnade GOttes anbetrifft; so gehet dieselbe so wohl dem Weib— als Männlichen Geschlechte an: Hier ist kein Mann noch Weib / denn sie sind allzumahl einer in Christo Jesu. Gal. 111,28. Petrus nennet ja ausdrücklich die Weiber: Miterben der Gnade des Lebens. 1. Petr. 111, 7. Und hat demnach gegenwärtige Worte die Wohlseelige Fr. Burgermeisterin / mit allem Rechte auch auf sich ziehen können. Zumahlen Sie / durch das inerliche Zeugniß des Heil. Geistes / diejenigen Eigenschafften bey sich gefunden / von welchen Gott die Frommen / die errettet werden sollen / hier beschreibet.

Zwar haben nicht allein die Socinianer und Arminianer; sondern auch hernachmahls die Coccejaner / und andere Indisterentistische Neulinge / denen eine Religion so viel gilt / als die andere / nebenst denen heutigen Friedens—Stifftern / die Leute bereden wollen / daß an der gründlichen Erkäntnis Gottes und anderer Göttlichen Dinge / die in unsern Glaubens—Lehren vorgetragen werden / nicht eben so viel gelegen sey; wenn man nur die Liebe habe / und Gottes Gebot halte / worinnen der gantze Grund der Christlichen Religion bestehe. Allein man merckets bald / warumb es diesen Leuten zu thun ist /

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denn wenn die Glaubens—Lehren erst ausgemustert seyn / und man die Erkäntnis Göttlicher Dinge hindan setzet: So wird der Frey—Geisterey Thor und Thür angelweit aufgesperret / und können alle Religionen / auch der Jüden und Türcken / nach dieser Liebe / endlich in eine Form gegossen werden. Es hat gewiß der schlaue Atheist, Benedictus de Spinoza, keinen bessern Anstrich seiner Atheisterey / als eben diesen geben können / wenn er gelehret / daß zur wahren Religion / nichts mehr erfordert werde / als der Gehorsam / welcher in der Liebe des Nechsten bestehet.

Und dieses können auch alle Frommen von sich sagen: denn Er behütet sie wie einen Augapffel im Auge / Er beschirmet sie unter dem Schatten seiner Flügel / für den Gottlosen / die sie verstören / für ihren Feinden / die umb und umb nach ihrer Seelen stehen. Ps XVII, 8.9. Ach wie ruhig! Ach wie sicher sind sie nicht / unter den Gnaden—Flügeln ihres GOttes! Es mag die Hölle selbst den Rachen aufsperren / Satan sie verschlingen / und überwältigen wollen; Trotz daß sie ihnen einen Haar krümmen solten! Sie können getrost durchbrechen und sagen: Es müssen alle meine Feinde zu schanden werden / und sehr erschrecken / sich zurücke kehren und zu schanden werden plötzlich. Ps VI, 11.

Wenn unsre Seele im Tode / zur Hochzeit des Lammes wird eingeführet werden / denn werden wir / als die Uberwinder / nicht mehr mit Dornen / sondern mit der Crone der Herrlichkeit gezieret / das Brodt essen im Reiche GOttes / Luc. XIV, 15. und mit erfreueter Seelen rühmen: dem Bösen bin ich entnommen / und hab was bessres bekommen. O seelige Veränderung! wenn wir aus der Last in die Lust / aus der Schmach in die Herrlichkeit / aus der Finsterniß in das Licht / aus der Traurigkeit in die unaussprechliche Freude / und aus dem Tode in das ewige Leben werden versetzet werden.

Das ist nemlich die rechte Art des Glaubens: Es ist derselbe keine Ignorantz noch Unwissenheit / wie die Päbstler lehren; sondern bestehet nechst einer gründlichen Wissenschafft / in einem gewissen Beyfall und festen Vertrauen des Hertzen. Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht / deß das man hoffet / und nicht zweiffelt / an dem / das man nicht siehet. Ebr. XI, 1. In weltlichen Dingen / kan man wohl zu Zeiten an einem oder dem anderen zweifeln / und heißt offt nach dem bekandten Sprichwort: Nervi & artus Sapientiæ sund non temerè credere; Der Weißheit Stärcke und Krafft bestehet darinnen / daß man nicht leicht alles glaube. Aber nicht also in Göttlichen Dingen / die haben gar einen festen und gewissen Grund / nemlich das unbetrügliche Wort GOttes / von welchem es heisset: Das Zeugniß des HErrn ist gewiß / und machet die Albern weise. Ps. XIX, 8.