Einiger Medicorum
Schreiben

Von
Der in Preussen An. 1708. in Dantzig
An. 1709. in Rosenberg An. 1708. und
in Fraustadt An. 1709.
Grassireten Pest:
Wie auch
Von der wahren Beschaffenheit
des Brechens / des Schweisses / und der Pest—
Schwären / sonderlich der Beulen:
Und denn folglich
Von rechtem Gebrauch der Vomito-
rium und Sudoriferorum

Breßlau /
Zu finden bey Esaiä Fellgiebels Wittib und Erben/
1711.



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II.
Schreiben
Herr D.J.G.K. Pract. Dantisc. an Herrn
D.C.H. Practicum Vratisl.
d. d. 6. Jan. 1710.
Von der in Danzig An. 1709. grassirten
Pest / und hauptsächlich deren Cur.

Monsieur,
Mon tres cher Frere & Ami!

Nachdem durch die Gnade des Allerhöchsten / GOttes unsers
lieben Vaters / die Seuche der Pestilentz bey uns nachgelas-
sen hat / und ich also wiederum Gelegenheit bekommen / das /
was mir Zeit dieses Unglücks / und in dieser grossen Gefahr begegnet /
an den Herrn Bruder zu avisiren / so kan ich nicht ermangeln / mit die-
sen wenigen Zeilen so wohl des Herrn Doktoris, als auch mein Gemü-
the zu vergnügen / weil ich sicher glaube / daß derselbige sich nicht weni-

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ger um meinen / als auch ich um seinen / Zustand Zeithero werde be-
kümmert haben. Post pauca:

Meinen Beruff habe ich die gantze Zeit über getreulich abgewar-
tet / sonder Furcht / aus Liebe zu GOtt / und meinem Nechsten. Ich
habe auch den Seegen gehabt / daß viele durch mich gesund worden /
obschon auch viel 1000. andre gestorben. Aber eine nähere Nach-
richt von allem dem / was in dieser Pest passiret / zu geben / nach wel-
cher auch den Herrn Bruder verlangen wird: so ist zu wissen / daß diese
Seuche der Pestilentze schon in dem zurück—gelegten 1708ten Jahre /
sub finem Novembris, sich in unsern Vorstädten hin und wieder
formaliter habe sehen lassen; deßwegen auch ich und mein Herr Col-
lega, D. Gerhold, dem gemeinen Mann zu Liebe einen kurtzen Unter-
richt nebst etlichen Antidotis dafür / schon damahls haben drucken las-
sen. Das Ubel blieb aber dazumahl ausserhalb der Stadt / tödtete
auch nur wenige arme Leute; und als der so strenge Winter kam / war
es gantz stille und verborgen. Jederman war auch in den Gedancken /
daß die strenge Kälte alles Gifft gantz vertilget hätte / weil man die
falsche Meynung für war hält / daß die Pest von der Wärmbde der
Lufft entstehe. Aber mit dem Ende des Mertz—Monaths / und im A-
pril offenbahrten sich die Marquen von der Pest de novo, und mit
grösserer Hefftigkeit / als zuvor. Ja im Monathe May kam es gar so
weit / daß auch die Carbunculi und Bubones bey Febricitantibus
in der Stadt von mir observiret worden. Ich notificirte solches /
aber es wurde so sehr nicht attendiret; das Contagium hatte indes-
sen seinen ungehinderten Lauff / biß die gantze Stadt inficiret war /
und alle Fremden hinweg lieffen. Weil nun nicht bey Zeiten etliche
Pestilentiarii Medici waren gemacht worden / so wollte diese Spar-
tam hernach keiner verwalten. Damit aber die Stadt W. ihre Ein-
wohner nicht über uns klagen dürffen / so haben wir omnes & singu-
li Medici uns zusammen verbunden / gleich wie in gesunden Tagen / zu
denen Patienten zu gehen / wenn sie uns ruffen würden / und dafür be-
zahlen. Wir sind auch / ausgenommen die Pest—Häuser und Vor-

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städte / allesamt der Zusage nachgekommen / und haben gearbeitet Tag
und Nacht. Ich selbst habe / wie es am stärcksten starb / in einem Ta-
ge 50. biß 60. besuchen müssen; ohne was zu Hause fürgefallen. Und
ist zu bewundern / daß / da aus allen andern Collegiis, etliche zum
mindesten einer / gestorben / durch die Gnade GOttes und dessen Bey-
stand von uns Medicis keiner biß dato gestorben ist. GOtt helffe wei-
ter! Wir lebten also zu Dantzig im Junio in der würcklichsten Pest;
im Julio nahm sie zu / vermehrte sich noch mehr im Augusto, und
grassirte am allerstärcksten im Semptembre, als zu welcher Zeit in ei-
ner eintzigen Woche / von einem Sonnabend biß zum andern 2253.
Personen gestorben waren. Und das nur in der Stadt: was ausser
dem Thore passirte / war wohl auch über 1000. Mann. Zu der Zeit
wurden manchmahl von einer Nacht biß zur andern biß 1500. neue
Krancken gefunden. Woraus der Herr Bruder urtheilen kan / was
man werde haben ausstehen müssen. GOtt halff aber / da es am ärg-
sten war / am ersten / also daß es mit dem Ende des Septembris wieder
abnahm / und auch beym Abnehmen immer blieb / so daß zu Ende des
Novembris nur noch 100. sturben / und itzo / GOtt lob! bey uns alles
wieder guth / frisch und gesund ist; wie denn die vergangene Woche
nur 79. gestorben sind. Und das ist also relatio historica genera-
lissimè.

Ich muß aber auch referiren / wie und mit was vor Medicamen-
ten solche Pest sich am besten und gewissesten habe tractiren lassen. Und
da bekenne ich / laut meines Gewissens / vor GOtt / und aller Welt /
daß dieses wahr befunden: I.) Contra Pestem non datur Specifi-
cum, sc. tale Remedium, welches dem einen wie den andern hilfft;
auch die von Herr D. Stahlen erwehnten Ossa ex Peste mortuo-
rum, welche ich von Thorn habe kommen lassen / haben nichts gethan.
2.) Quo pauciora quis medicamenta assumit, eo melius: Weil
zu solcher Zeit eine Singularis avtocratia Naturæ bey dem Menschen
zu spüren ist / die da remediis nimium calidis, uti sunt alexiphar-
maca pleraque, leicht kan irre gemacht werden / ut crisin nimis

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præcipitanter faciat. 3.) Je langsamer (pedentim, lentè citra,
præcipitationem) die Crisis erfolget / und die Marquen der Pest
herfür gekommen / je leichter und gewisser sind sie genesen / & contra.
4.) Venæsectio, Purgantia & Vomitoria, waren höchst schädlich /
wo nicht gar tödlich. 5.) Die einige Cur war / das Gifft vom Centro
ad Peripheriam corporis zuführen / und injuncto Regimine dia-
phoretico, per blandissima alexipharmaca & absorbentia re-
media, mit dem Schweisse auszutreiben; dabey zu mercken / daß die
Nitrosa allezeit ad Diarrhœam disponirt haben. 6) Welcher den
7den Tag überlebet / und entweder gar nichts brauchte / oder aber ei-
nen Medicum hatte / der da die Doctrinam de Crisibus & Tempe-
ramentis wohl studirt / kam ut plurimum gut davon / und wurde
gesund. 7.) Was die Medicamenta thaten war wenig / alles kam
auf dijudicationem Naturæ an / welche / wo sie præcipitanter ge-
schahe / wie es bey Cholericis und Sanguineis geschicht / allemahl
lethalem Eventum causirte; wo sie aber zu rechter Zeit / sc. lang-
sam in conveniente Loco, und moderatè, und der Medicus die
motus naturæ debitè zu moderiren und imitiren wuste / da war die
Cur leichte / & methodus faciebat medicamenta specifica contra
Pestem. Das ist in genere: ich will aber auch in specie sagen / wie
ich curirt.

Wenn ich nun zum Patienten gefordert wurde / und Signa Pe-
stis bemercket / deren die gewissesten waren / Haupt— und Rückenwehe /
mit Ohnmacht / und schlimm— oder wehe—seyn ums Hertze / cum pul-
su celeri, und vorhergegangenem starcken Froste; (wie wohl zu der
Zeit fast alle Menschen so kranck wurden / die Pest bekamen;) so fragte
ich / wie lange er schon gelegen? hatte er schon etliche Tage gelegen /
auch schon bey sich die Crisin Naturæ sive per Bubonem, sive per
Carbunculum, empfunden / (ich lasse die Crisin per Petechias aus-
sen / weil diese insgemein sich kurtz vorm Ende lethaliter geäusert ha-
ben / und so viel ich gesehen / keiner / der sie gehabt / davon kommen ist;
also auch keine Medicamenta admittirten / ) so verfolgte ich die Cur /

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so von der Natur angewiesen / per medicamenta blandè diapnoi-
ca, und suchte allezeit den Cörper in gleicher Ausdünstung des Mias-
matis maligni zu erhalten / doch hac distinctione, daß bey hurtigen
und activen Temperamentis, ceu sunt sanguineum & choleri-
cum, ich nichts als nur die allergelindesten und temperirtesten alexi-
pharmaca remedia adhibirt / da hingegen die Phlegmatici, und Me-
lancholici, mehr aber doch noch die Phlegmatici / viel stärckere alexi-
pharmaca erforderten und vertrugen. Bey diesen letzten war die Cur
leichte / auch insgemein glücklich. Da hingegen die Subjecta, so von
sanguinischem und cholerischem Temperament etwas participir-
ten / sehr schwer zu tractiren waren / als bey welchen die Cur / wo nicht
unglücklich doch allezeit anceps gewesen ist; ratio, weil diese Natu-
ren ut plurimum die Crisin gar zu geschwinde anwiesen / und alle
motus, etiam ad bonum & salutarem finem tendentes, gar zu
hefftig verfolgten / und deßwegen bald im Anfange die Kräffte verloh-
ren. Bey diesen nun hatte man genug zu thun die nimios motus zu
coerciren / anomalos zu corrigiren / inæquales & non sufficientes
zu moderiren und zu augiren. Und muste man sich sehr in acht neh-
men / damit man nicht zu Anfange per adhibita remedia nimis ca-
lida, ut sunt plurima pars alexipharmacorum, die Natur über-
triebe; denn wenn dieses geschehen / so ist keine Hülffe. Zu dem En-
de habe ich endlich resolviret/ nachdem ich die ersten 2. Monathe fast
gantz umsonst gearbeitet / und auch bey den allergelindesten und we-
nigsten Artzneyen / allezeit die Crisis sich dennoch gar zu præcipitan-
ter und allzu starck / bewiesen hat / in den ersten 3. Tagen bey diesen
und solchen Subjectis gar nichts zu gebrauchen / als das regimen di-
apnoicum. Welches der Sache einen sehr guten Ausschlag gege-
ben / und viel 100. errettet hat. Wenn ich alsobald beym Anfange
der Kranckheit consuliret worden / befahl ich / ut Patiens abstineret
à Medicamentis, und statt dessen sich zu Bette legen sollte / in demsel-
ben sich so warm zudecken / daß er über den gantzen Leib von sich selbst zu
schwitzen anfange; und wo er dazu nicht gelangen konnte / ließ ich ihm

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alle halbe Stunden / oder auch längsamer / sc. pro nécessitate sudo-
ris, entweder warmen Theê, oder warmes Gersten—Wasser / oder
auch warmes dünnes Bier / so heiß als er es erleiden konnte / reichen /
darauf der Schweiß bald / gelinde / und sonder Angst und Verlust der
Kräffte erfolgte. Geschahe dieses / so waren den dritten Tag entwe-
der Carbunculi oder ein Bubo verhanden / und die Crisis geschehen:
Geschahe es aber nicht / und die Symptomata des Patienten ver-
schlimmerten sich / absonderlich wenn er anfieng zu brechen: (quod ut
plurimum fiebat) so war der Patiente verlohren / und paucis ho-
ris ante mortem zeigten sich die Petechiæ, in dunckel—blauer Ge-
stalt. Der Medicus nun / welcher dachte / es hinge daran / daß man
diese Crisin, si tertio die non fiebat, müste per Remedia calidio-
ra diaphoretica, & bezoardica forciren / gewahn doch nichts mehr /
und verursachte noch dazu / daß insgemein der Tod und die Petechiæ
durch die Convulsiones verschlimmert wurden. Welches mir selber
begegnet ist. Wo aber Carbunculi herfürkamen / die tractirte ich so /
in utroque sexu, daß sie biß zu dem achten Tage / sc. vom Tage der
geschehenen Crisis an / alle 8. Stunden eine Dosin von diesem Pulver-
re, und also alle Tage 3. Pulvers / nehmen müssen / à ℈j. usque ad ℈ij.
nemlich pro differentia ætatis:

. Ocul. 69.
Conch. S. △ ne.
Corall. rubr. ana ℈ij.
♁ diaph.
Pulv. alexiph. N.
Spec. Conf. de Hyacinth. ʒß.
Cinnab. nativ. ℈ij.
φ depur. ʒiß.
Croci aperitivi

mn1

º Dieses Pulvis alexiph. novus bestehet aus folgenden:
℞. Pulv.
Pann. rubr. ♁ diaph. ana ʒij. Spec. Conf. de Hyac. ʒß. φ depur.
ʒiß Cinnabaris nat. Conch. S. △e, Oc. 69. Corall. rubr. ana ℈ij.
Croci ♂lis Stahl. ʒß. M. F. Pulvis.



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In einem vehiculo arbitrario, aber warm gemacht. Wenn der
7de Tag vorbey / so continuirte ich nur alle Abende ein solches Pul-
ver / des Morgens aber und zu Mittage folgende Tropffen:

Ess. alex.
≏ ♀ri rectif. ʒiij.
≏ ⊕li ℈ij. M. D. ad Vitr.

Von welchen der Patiente à 36...60. pro una dosi einnehmen
muste / und solche nebst dem Pulver so lange verfolgen / biß er ad ple-
nariam Euphoriam gekommen / da ich ihn denn purgirte / und als-
denn nebst Gebrauch der Essent. alex. D. D. Stahlii alle Morgen ad
40. gr. wieder in die freye Lufft schickte. Gantz anders aber muste
man die tractiren / die Bubones hatten / denn da thaten die Pulveres
zu Anfange allein nicht genung / sondern ich muste noch zwischen jedem
Pulvere 2. Stunden hernach 40. Tropffen von der obigen Mixtur,
scil. bey Adultis, bey Jüngern 20. biß 30. Tropffen reichen lassen / daß
also der Patiente 3. mahl Pulver / und 3. mahl Tropffen brauchen mu-
ste; und da war die Cur glücklich. That ich das nicht / so kamen böse
Zufälle / welchen hernach mit nichts zu helffen. Wenn nun der 7de
Tag fürüber war / war auch die Gefahr vorbey / und denn verfolgte
ich die übrige Cur / als wie bey den Carbunculis. Und diesen Me-
thodum habe ich durchgehends bey hitzigen Naturen gut und heil-
sam befunden. Bey längsamern / kältern und trägern Subjectis a-
ber / uti sunt Melancholici, und Phlegmatici, habe ich bald An-
fangs was brauchen müssen / auch calidiora alexipharmaca, und
war meine methode diese: Ehe noch die Crisis geschehen / welche ins-
gemein längsamer erfolgte / quarto, quinto, etiam septimo demum
die, gab ich ihnen tribus vicibus per diem dieses Pulver à ℈j. ad ℈ij.
proratione ætatis:

12
Pulv. Bezoard. D.
♁ diaph. ana ʒij.
Pulv. alexiph. N. ʒj.
Flor.
----------[single sheet - no signature]----------
Bez. miner.
Cinnabaris nat. ana ℈iß. M. F. P.

Fingen sie aber an sich zu brechen / gab ich ihnen nur alle Abende
beym Schlaffen gehen eine dosin davon / und des Morgends und Mit-
tags 30. 40. 50. 60. 70. biß 80. Tropffen von dieser Art / als:

Davon sich das Brechen stillte. Das Nitrum vertrugen die-
se Subjecta gantz nicht / weil es sie ad Diarrhœas disponirte / die e-
ben so periculös waren / als das Brechen. Facta Crisi, gab ich ihnen
allein diese Tincturam:

Tropffen.

Davon 30. 40. biß 50. auf 1. mahl / und ließ sie davon des Ta-
ges 4. mahl einnehmen / als des Morgends um 6. und 10. Uhr; und
nach Mittage um 2. und 6. Uhr; gegen die Nacht aber nichts. Und
dieses so lange / biß sie genesen. Sub finem Curæ wurden sie auch
purgirt; und war mein purgans generale Pillen / als:

Extr. Panchym. Crollii gr. XII.
☿ dulci. gr. vj.
Res. Jalapp. gr. iij.
Crem. ♀ri gr. vij. M. F. Pilulæ num. 15. pro adulto.

So curirte ich / und / GOtt sey Danck! sehr glücklich: Wollte
GOtt ich hätte es eher gethan! Nun hatte ich aber auch andere Pati-
enten / da dieses nichts halff / und allerhand andere Zufälle kamen / de-
nen nicht zu helffen war. Aber da ist zu mercken / daß diese Patienten
allemahl dazu Gelegenheit gegeben haben / entweder daß sie sich nicht
warm genung gehalten / und zeitlich genung zu Bette gelegt; und die-
se bekamen ordinairement Brechen / Diarrhœas und Convulsio-
nes, (das Brechen kam auch / wenn der Patiente nur kalt trincken be-
kam / oder andre kühlende Sachen / ) oder daß die Crisis per nimis
calida medicamenta vor der Zeit erzwungen worden war / und da

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äuserten sich die Signa und schlugen wieder ein / es kamen alle auf ein-
mahl / es fanden sich hæmorrhagiæ, deliria, oder was insgemein
auf hitzige Sachen erfolgte / Petechiæ; oder es waren gar inconve-
nientia remedia adhibirt worden / als Vomitoria, und Purgan-
tia, worauf motus anomali und inconstantes erfolgten / daß / da es
zu Anfange ziemlich gut zu seyn schiene / es doch in einem Augenblicke
anders wurde / accedentibus truculentissimis symptomatibus, it.
opiata, & anodyna, welche affectus soporosos zu wege brachten /
omnibus lethales. Und für alle diese Zufälle halff nichts / und gin-
gen die Patienten insgemein verlohren. Ich kan aber auf mein Ge-
wissen versichern / daß alle diese Zufälle nicht erfolget / wenn sich die Pa-
tienten bald von Anfange warm gehalten / und lieber gar nichts / als
inconvenientia gebrauchet / sich mäßig gehalten / und mit gelinden
Artzneyen tractiret worden seyn. Aus welchem klärlich erhellet daß
die Natur zur Zeit der Pest ihre Synergiam sattsam beweise / auch / si
sibi relinquatur, sehr wenige sterben lasse. Daß aber in der Pest
so viele sterben / geschiehet theils / daß die Natur durch allerhand a-
nomalos motus, ab extra commotos, in ihrer guten Intention
verstöhret werde / theils auch / daß ihr nicht zeitlich genung zu Hülffe
gekommen werde / und sie alleine solches zu verrichten nicht capable
ist. Das Pest—Fieber ist gleich den Variolis, da die beste Cur ist / sich
warm halten / und nichts / oder ja sehr wenig brauchen. Und das ist /
was ich internè gethan.

Externè waren die Carbunculi und Bubones zu curiren / wel-
che offtermahls / besonders wo sie inconvenienter tractirt wurden /
alleine den Tod nach sich zogen. Ich für meine Person / that bey den
Bubonibus im Anfange nichts / als ich ließ sie mit dem Spir. vin.
camphor. starck und offt bestreichen / oder ein Lösch—Papier / drein ge-
netzt / drüberschlagen / welches die Schmertzen ad tempus linderte.
Wenn der 7de Tag vorbey war / und das Fieber etwas remittirt hat-
te / (welches bey denen so gesund werden sollten / und debitè tractirt
waren / sc. methodo supra dicta, gemeiniglich geschahe / ) so ließ ich

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bey den Armen / die keinen Barbier bezahlen konnten / oder bey den
Frauen—Leuten / welche ex verecundiâ nimiâ einen Chirurgum
nicht admittiren wollten / entweder gebratene Zwiebeln / oder gekoch-
te Gersten—Gritze / dicker consistentz, oder aber Speise—Pfeffer—Ku-
che 4. Loth / Leinen—Kuchen 2. Loth / Theriac, 1 1/2 Oventl. mit war-
mer Milch / in formam cataplasmatis gebracht / offt überschlagen /
und so warm als sie es dulden konnten; das letztere aber that am aller-
besten. Da wurde der Bubo entweder grösser / weicher und reiff / ver-
lohr auch die Schmertzen / oder aber er wurde kleiner / und vertheilte
sich / sine periculo Patientis. Wie ich denn sehr genau beobachtet
habe / daß 1.) vielmehr sich vertheilten / als maturirten in pus: 2.) daß
die Bubones, so sich resolvirten wenigere Symptomata causirt / und
3.) den Patienten eher zur restitution gebracht. Daß aber deßwe-
gen / wie andre fälschlich spargiret / der Patiente de novo in die Pest
verfallen / ist nicht wahr / und sonder Grund. Wenn aber ein Bubo
nicht wieder vergieng / sondern zur suppuration kam / muste er entwe-
der instrumento adhibito geöffnet / (welches am besten / ) oder aber
mit erweichenden / und wenn das nicht angieng / mit beitßenden und
septicis remediis, tractirt werden. Factâ aperturâ, hielte man
das Loch so lange offen / legte depurantia sanguinem drauf und vul-
neraria, und verbunde es / wie ein ander Ulcus impurum, zur Hei-
lung zu bringen; Und kan ich sagen / daß die Heilung allemahl sehr
geschwinde / auch sponte, erfolget ist. Waren es aber reiche und
gesehene Leute / da ließ man einen Chirurgum holen. Diese verban-
den zu Anfange die Patienten mit sehr scharffen Dingen / legten stracks
Vesicatoria drauf in Hoffnung das Gifft instar serositatis abzuzie-
hen; die gelinder gehen wollten / legten Emplastra attrahentia gum-
matosa, und hitzige defendentia auf / aber alles nicht nur umsonst /
sondern wohl gar cum periculo vitæ Patientis. In den Pest—Häu-
sern adhibirte man auch das Canterium actuale, und excisionem,
aber mit gleichem Successu: daß endlich daraus alle Medici und
Barbiere (deren gesunde Vernunfft nicht mit Præjudiciis bezaubert

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war / ) eine General—Regel machten / daß man die Bubones gelinde
tractiren müste / und nichts / als emollientia, paregorica, & ano-
dyna remedia gebrauchen. Denn durch scharffe und strenge Sa-
chen wurde der Pars affecta, quam sibi Natura pro excretione Mi-
asmatis elegerat, schmertzhafft gemacht / und geschahe deßwegen ei-
ne contractio, welche die liberam transpirationem nicht wenig hin-
derte / und endlich gar retropulsionem miasmatis verursachte / dar-
aus allerhand motus anomali, und endlich der Tod selbst erfolgten.
Und auf solche Weise habe ich Curam Pestis tractirt / auch durch
GOttes Gnade / dem ich ewig dafür dancken muß / viele restituirt.
Andere aber giengen einen gantz andern Weg / und wollten per vomi-
torium medicamentum, in principio morbi exhibitum, die
Sache auf einmahl heben. Und ob ich schon solches zu wiederrathen
sehr viel gethan / so halff es doch nichts; Sie blieben dabey / und wur-
den damit viel tausend in die Erde gebracht / ehe sie klüger wurden. Wie
denn in dieser Pest nur allein in unserer Stadt 24533. Personen gestor-
ben sind / ohne die zu rechnen / welche auf frembder Jurisdiction, und
in den Vorstädten begraben worden / deren Anzahl nicht viel minder
seyn soll. Es ist eine grosse Anzahl / wollte GOtt / daß alle oder zum
wenigsten die meisten davon mögen seelig worden seyn.

Aber ich muß auch noch etwas erinnern von denen Ursachen die-
ser Contagion, und woher sie meines Erachtens entstanden. Denn
was noch biß dato von andern Orten gemeldet worden / z. E. daß der
sehr kalte Winter / der Krieg / das Armuth / der Mangel an Lebens—
Mitteln / die unreine und vergiffte Lufft / ec den ersten Grund dazu ge-
leget / kommt mir unglaublich vor. Denn wie sie in Thorn / War-
schau / und Cracau grassirte / war kein harter Winter vorher gegan-
gen: und die Kriegsm—Noth/ und der daher entstehende Mangel an Le-
bens—Mitteln ist / GOtt sey Danck / bey uns noch lange so groß nicht
gewesen / als anderswo / wo doch die Pest nicht hingekommen / und ich
glaube / diese Pest werde auffs Früh—Jahr noch weiter gehen / und viel-
leicht an solche Oerter / da kein Krieg gewesen. Sollte es auch von

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vergiffteter Lufft positivè herkommen / so müsten noch viel mehr ster-
ben / und keiner könnte übrig bleiben / als der die Kranckheit überwun-
den. Demnach ist gewiß / daß die Pest aus andern Ursachen entstehe.

Nachdem ich aber die Sache genauer untersuchet / und leider!
propriâ Experientiâ, erfahren / so bilde ich mir ein / daß zu einer
Pestilentzischen Kranckheit / und würcklichen Contagion dreyerley er-
fodert werden / daraus sie entstehet / als 1.) Epidemica constitutio
& Dispositio Aëris: 2.) Contagium: 3.) Occasio & ansa Conta-
gium recipiendi. Unter der Epidemica constitutione Aëris ver-
stehe ich talem constitutionem fluidi aërei, dadurch die Proportio
inter corpus vivum nostrum, und demselben auffgehoben wird / so
daß das Agens internum in corpore allererst viel Mühe anwenden
muß / ehe es diese extraordinariam novam Proportionem denen
Motibus vitalibus sui corporis adaptiret. Trifft eine dergleichen
epidemica mutatio solche Cörper / deren Humores probter laten-
tem, proximè futuram, Corruptionem zu solchen ausser—ordent-
lichen Motibus ungeschickt seyn / oder zu welcher sich ihr Agens s. A-
nima nicht bey Zeiten finden will / sondern Rem negligentius tra-
ctirt / da ist die Kranckheit fertig / und weil sie ab Indole Aëris eine
Corruptionem Sanguinis & reliquorum Humorum putridam
bey sich trägt / kan die Solutio ejusmodi morbi, quam Natura tunc
temporis, Conservationem proprii Corporis anxiè quærens,
& tentans per crisin efficere, intendit, sub nullâ aliâ formâ ge-
schehen / als Bubonibus, Carbunculis, und Petechiis. Treffen
aber dergleichen Zeiten und Epidemica Constitutio Aëris Cörper
an / die gesund sind / und deren Agens ad ejusmodi extraordinari-
os Labores in corpore subeundos hurtig und willig ist / die bleiben
mitten in der Pest gesund und lebendig / wenn sie anders sonst sich wohl
in Acht nehmen / und weder per Contagium, noch durch die Gelegen-
heit / das Gifft an sich zu ziehen / sich verletzen.

Worinnen aber eigentlich diese Constitutio epidemica pesti
lentialis fluidi aërei bestehe / läßt sich mit Augen nicht sehen / und mit

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Händen ergreiffen / auch nicht riechen / oder schmecken. Ergo sollte
man sagen / non cadit in sensus, non potest comprehendi. Aber
da stehe ich entgegen: Denn ob zwar das nicht wahr ist / was so lange
schon geschrieben worden / das Gifft / in Zeit der Pest / fliehe oder zie-
he instar tenuis Nebulæ von einem Orthe in den andern / es falle des
Morgends und des Abends / wie ein Reiff / auf die Felder / Wiesen /
und Kräuter / es hänge sich in den Gemächern an die Spinne—Weben /
daher auch zu solcher Zeit die Spinnen / und andre gifftige Animal-
cula sich verborgen hielten / it. das Gifft hänge sich an die Milch / und
mache oben auf / wenn sie etwas gestanden / eine blaue Haut und Fle-
cken / weßwegen auch die Leute / und viele Medici, zu solcher Zeit
Milch—Speisen zu essen / nicht rathen wollen / ec (denn solches alles
ist falsch und erdichtet;) dennoch so lässet sich diese Veränderung des
Fluidi aërei, in quo vivimus, zu solcher Zeit sattsam mercken / und
empfinden. Es bestehet aber in nichts als in attenuatione & rare-
factione desselben / welches die Observationes Barometricæ Cu-
riosorum zur Verwunderung gezeigt haben. Denn da ist in diesem
Sommer allhier der Mercurius von der Lufft biß 96 1/2. Grad gedrü-
cket worden / welches nicht einmahl in dem vorigen allerhärtesten
Winter geschehen war / und sonst insgemein zu der schönsten Som-
mers—Zeit nicht über 70. Grad zu kommen pflegt. Und eben dieses soll
auch damahls in Thorn geschehen seyn / referente mihi certo quo-
dam Theologo illius Loci. Unterdessen war der vergangene Som-
mer / dem Ansehen nach / für sich weder zu warm / noch zu kalt / nicht
zu trocken / und auch nicht zu naß / und / wie man zu reden pflegt / ein
schönes Sommer—Gewitter; & interea pestifera. Woher? Ich
glaube ab istâ summâ attenuatione, & rarefactione Aëris, quâ
factum, ut etiam in illis Corporibus humanis, quorum Ener-
gia Naturæ ad ejusmodi celeres motus vitales subeundos non
sufficiebat, (denn in dünner Lufft muß ich tieffer und celerius, als in
dicker / respiriren / ) talis summè activa Corruptio Sanguinis, at-
tenuationi aëris analoga, exorta fuerit. Et hinc ratio peten-

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da, warum zu solcher Zeit alle Leute in die Pest / und fast niemand in
eine andre Kranckheit verfalle: Denn die Constitutio Aëris lässets
nicht zu / weil / quicquid corrumpitur in Corporibus, (es sey da-
zu die Gelegenheit / was es immer wolle / ) alsdenn taliter corrum-
pirt wird / & non aliter, worauf auch talis, & non alius, morbus
erfolget. Wiewohl ich zu der Zeit etliche andere Affectus observi-
ret habe / ast parcissimè. Durch solche Epidemicam constituti-
onem fluidi aërei werden nun diejenigen zu erst kranck / welche dazu
am meisten incliniren; hinc morbus pestilens in uno atque altero
Corpore: kommts nun / daß einer davon erstirbt / so gehet diese pu-
tredinosa corruptio durch den gantzen Leib / und inficiret alles / was
um und an ihm ist: denn der gantze Cörper ist putredo sphacelosa. In-
de Contagium, daß alle / die in demselben Hause sind / wo sie Occasio-
nem s Ansam, Contagium recipiendi dazu geben / entweder daß
sie sich nicht præservatoriis Remediis dafür beschützen / oder daß
sie gar zu nahe sich hinzu begeben / und mit Furchtsamkeit den Pa-
tienten bedienen / oder Sachen / die der Patiente in seiner Kranck-
heit gebraucht / absonderlich Kleider / Linen / Bette / ec. zu sich neh-
men / in similem morbum verfallen. Und auf solche Weise wird
ex una domo infesta zwey / ex duabus plures, und wenn einer
in Febre Pestilentiali erstirbt / inficirt er noch zwey andre / diese
2. wieder noch 4. andre / & sic in infinitum, dadurch denn / wenn
es so weit kommt / daß in einer Woche allein so viel 100. sterben
das Contagium groß / und offenbar genung ist / und alsdenn kei-
ner leugnen kan / daß das Contagium mehr / als die constitutio
aëris epidemica schade. Sintemahl das Hauß / wo alle gestor-
ben / viele Particulas infectas in sich begreifft / der Wagen auf
welchem 20. und mehr verpestete Todte liegen / und gelegen / seine
Athmosphæram mit Effluviis pestiferis anfüllet / und der Kirch-
hoff / wo so viele 1000. hinein getragen worden / denen Gesunden
dergleichen Vergifftung beybringen kan ec. Und / rebus sic stan-
tibus, kan man mit Wahrheit sagen / daß das Gifft aus dieser (sc.

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in hoc loco,) Lufft auffgefangen werde / und materialiter den an-
dern inficire. Wer nun solche Gelegenheit nicht fliehet / und noch
dazu furchtsam ist / der giebt Ansam recipiendi Contagium; da
hingegen derjenige / so unerschrocken und hertzhafft ist / und noch da-
zu sich wohl in acht nimmt / auch stets dahin strebet / ut Corpus
suum sanum maneat, und bey dem geringsten Ubelbefinden sich
præserviret / attamen non remediis calidis alexipharmacis &
bezoardicis, sed temperantibus, plus motus, quam materi-
am, corporis corrigentibus, præ ut omnes Excretiones or-
dinariè procedant; sich mit leichter Mühe / sonder Gefahr in der
Pest erhalten kan. Warum aber die Furcht alsdenn so sehr scha-
de / gebe ich diese Rationem: tempore Pestis Corpus huma-
num triplici periculo expositum est, 1.) mutationi Aëris p.
n. 2.) particulis contagiosis: & 3.) Mille aliis periculis: Er-
go ut Corpus ab his injuriis præservetur; necesse est, ut A-
nima perpetuo per motus vitales id, quod ab extra immi-
net, abigat, & quidem per Motus extraordinariè institutos.
Kommt nun ein Schrecken oder Furcht / so verläst die Anima ih-
re Hut oder Posto, ut ita dicam, und die Infectio ab extra hat
freyen Zutritt.

Das ist / was ich von dieser Pest zu erinnern weiß. GOtt
bewahre den Herrn Doctor dafür in Gnaden / und gebe ihm lau-
ter gute und gesunde Kranckheiten zu erleben; welches von Her-
tzen wünschet

Meines Hochgeehrten Herrn Bruders
Dienstschuldigster
J.G.K.Dr.