Der Frau
Luise Adelgunde Victoria
Gottschedinn, geb.Kulmus,
sämmtliche
Kleinere Gedichte,
nebst dem,
von vielen vornehmen Standespersonen,
Gönnern und Freunden beyderley
Geschlechtes,
Ihr gestiftetem Ehrenmalae,
und Ihrem Leben,

VI. Sinngedicht.
An ihren Vätter, als er zu einem öffentlichen
Lehramte gelangete.1727.

Erlaube, weiser Mann, daß dieses schlechte Blatt,
An diesem Freudenfest mit mir sich vor Dir bücke.
Heut hast Du, was mein Herz Dir längst gewünschet hat,
Denn itzo findet sich ein längst verdientes Glücke.
Dieweil die Ehre nun zusammt der Bürde steigt,
Da Du den leeren Platz anitzo sollst bekleiden,
Ja sich auch allbereit die ganze Jugend neigt,
Weil Du sie künftig willst auf Weisheitsauen weiden:
So kann mein schwacher Kiel doch auch nicht leblos seyn,
Und muß Dir seine Lust bey Deiner Wohlfahrt zeigen,
Ach stimmte nur Dein Glück mit meinem Wünschen ein!
So wollt ich nimmermehr, und sollt ich stammlen, schweigen,
Gott stärke Deinen Geist, er mehre Deine Lust,
So kann die Arbeit Dir zu einem Spielwerk werden.
Bleibt mir, o weiser Mann, Dein Wohlseyn nur bewußt,
So schätz ich Dich beglückt, und mich vergnügt, auf Erden.