Luise Adelgunde Victoria Gottsched

Der Frau Luise
Adelgunde Victoria
Gottschedinn, geb.Kulmus,
sämmtliche
Kleinere Gedichte,
nebst dem,
vonvielen vornehmen Standespersonen,
Gönnern und Freunden beyderley
Geschlechtes,
Ihr gestiftetem Ehrenmale,
und Ihrem Leben,

Leipzig,
bey Bernhard Christoph Breitkopfen u. Sohne
1763



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4. Ode.
Das Unglück der Geldgeizigen bey Ihres Herrn Vaters Geburtsfeste, 1728.
den 23. April.

O Gold! Ergötzung schwacher Geister,
Die all ihr Wohl mit dir verknüpft;
Du machst es, daß ihr Herze hüpft,
Und bist, o Jammerstand! in kurzer Zeit ihr Meister.
Du lenkest sie in das Verderben,
Und heißest doch ihr höchstes Guth;
Du unterstützest ihren Muth,
Daß sie auf Sclavenart ganz willig für dich sterben.

Sie achten nicht den Schatz der Weisen,
Er ist für sie von schlechtem Werth;
Und die Gewohnheit ganz verkehrt,
Daß diese nicht wie sie, das Mark der Erden preisen.
Ach Gold! du wirst so hoch verehret,
Und bist doch einer Wolke gleich:
Denn die wird oft an Klarheit reich,
Wenn sich ihr rother Dunst in Blitz und Donner kehret.

Man sucht dich in dem Schooß der Erden,
Man gräbt die tiefsten Höhlen aus;
Warum? Wozu? was wird daraus?
Es wird ein armer Geist darein vergraben werden!
Elendes Glück für solche Seelen,
Die nur den Weg der Tugend gehn;
Und um derselben Pracht zu sehn,
Wohl gar das harte Joch verschmähter Armuth wählen!



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Sie gehn mit seltner Kraft der Helden,
Selbst in ihr größtes Unglück ein;
Sollt gleich ihr Thron die Erde seyn,
So scheuen sie sich nicht der Wahrheit Lob zu melden.
Will sich des Neides Schwarm vereinen,
Setzt er mit Lästerzungen an,
So wird Minerva, weil sie kann,
Mit einer Wagenburg den schlechten Sitz umzäumen.

Denn diese schützet ihre Kinder,
Und setzet sie in Sicherheit;
Oft schenkt sie anfangs lauter Leid,
Doch wenn sie feste sind, so wird die Zucht gelinder.
Sie giebt nach vielen Drangsals—Zeiten,
Zuletzt die wahre Lustbarkeit,
So daß sie bey dem größten Streit,
Durch dieser Weisheit Kraft sich selbst die Ruh bereiten.

Und dieses sind die höchsten Güther,
Womit sie ächte Kinder krönt.
Sie lacht, wenn sie das Schicksal hönt:
Denn diesen Lorberzweig entlaubt kein Ungewitter:
Will sie das Joch der Armuth drücken,
Verfolget sie ein Ungelück,
So stärkt Minervens weiser Blick
Den durch die schwere Last allmählich morschen Rücken.

Du theures Haupt, gepriesner Vater!
Nach dieser Art sehr reicher Mann.
Wer hat das Wunderwerk gethan?
Wer ist in banger Noth Dein treuester Berather?
Ich höre schon die Weisheit nennen,
Die Dich aus mancher Angst gebracht;
So daß Dein Herze freudig lacht,
Will gleich ein Unglücksstrom den Glaubenswall zertrennen.



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Will schweres Kreuz Dein Herz ergründen:
Wird Deine Hoffnung nur gestärkt,
Daß vor der Kraft die alles merkt,
Auch dieser Kummer wird wie leichter Staub verschwinden.
Entwurzelt doch kein starkes Blitzen,
Den fest gegründten Lorbeerhayn;
So muß der Drangsal herber Schein,
Bey solchem Heldenmuth bestürzt von ferne sitzen.

Gott schenke Dir erwünschte Zeiten!
Das Glück den Kern von seinem Lauf!
Minerva baut Dir Säulen auf.
Und lehrt dadurch dein Lob die grauen Ewigkeiten.
Der Höchste lasse munter bleiben
Die Glieder voller Mattigkeit!
So weicht Georgens größtes Leid,
Mehr darf die Feder nicht zu diesen Zeilen schreiben.