Luise Adelgunde Victoria Gottsched

Der Frau Luise
Adelgunde Victoria
Gottschedinn, geb.Kulmus,
sämmtliche
Kleinere Gedichte,
nebst dem,
vonvielen vornehmen Standespersonen,
Gönnern und Freunden beyderley
Geschlechtes,
Ihr gestiftetem Ehrenmale,
und Ihrem Leben,

Leipzig,
bey Bernhard Christoph Breitkopfen u. Sohne
1763



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2. Ode.
An dem Namenstage ihrer werthen
Großmama 1725.

Der Kinder Gottes reiner Wandel
Glänzt wie ein Licht bey trüber Nacht,
Ihr Glauben stralt in jedem Handel,
Ob gleich Sturm, Wind und Wetter kracht;
Denn dieses Rasens wilder Schein
Muß Oel in ihre Flammen seyn.

Kein Sturm kann dieses Feuer dämpfen,
Des Höchsten Hand erhält die Kraft;
Wer will mit dem Beschützer kämpfen,
Der allen Helden Sieg verschafft?
Wer ist der hier den Ruhm erreicht?
Weil alles seiner Allmacht weicht.

So fest gegründet ist Dein Glaube,
Gepriesnes Adelgunden—Haupt;
Und gleich wie dorten Noä Taube,
Auch selbst im Sturm den Frieden raubt:
So findt Dein Geist in trüber Zeit,
Dennoch was seinen Schmerz erfreut.

Fahr immer fort Dich zu vergnügen,
Auch selbst in Deiner Traurigkeit,
Sollt es an meinem Wunsche liegen,
Ich wünschte Dir viel frohe Zeit.
So ist kein Mensch der traurig ist,
Weil Du uns stets ein Pharus bist.