Freundliche Einladung /
zu zweyen die
Naturlehre
betreffenden COLLEGIIS,
und einigen dahin gehörigen EXPERIMENTIS.


Womit der zu
Königsberg in Preußen
Studirenden Jugend
und andern daselbst befindlichen
Liebhabern der Weißheit /
instehenden Sommer dieses 1717 Jahres /
aufzuwarten gedencket


Christianus Gabriel Fischer /
PROF. PHYS. EXTRAORD.


Dantzig / in Hn. Paul Paters / Mathem. Prof. Publ.
Buchdruckerey / und auf dessen Kosten gefertiget.


Freundliche Einladung /
zu zweyen die
Naturlehre
betreffenden COLLEGIIS,
und einigen dahin gehörigen EXPERIMENTIS.
Womit der zu
Königsberg in Preußen
Studirenden Jugend
und andern daselbst befindlichen
Liebhabern der Weißheit /
instehenden Sommer dieses 1717 Jahres /
aufzuwarten gedencket
Christianus Gabriel Fischer /
PROF. PHYS. EXTRAORD.
Dantzig / in Hn. Paul Paters / Mathem. Prof. Publ.
Buchdruckerey / und auf dessen Kosten gefertiget.



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Wenn bey dem Ausgang des bisher gehalte-
nen Collegii Physici mich berathe / wie meine
Arbeit auf den instehenden Sommer / gemäß
meinem Beruff / weiter anzustellen; so befin-
de / daß vornemlich dreyerley Liebhaber auf
meinen Fleiß und künfftige Bemühung war-
ten. Erstlich sehe vor mir Anfänger / welchen die Hauptsätze
und Anfangs—Gründe der Natur—Lehre in wol verknüpffter Ord-
nung klar und deutlich vorzutragen: damit sie darus einen
Begrieff fassen / wie vermittelst dieser edlen Wissenschafft / die
gründliche Erkändtniß dieser Welt / unser selbst und GOtteß / aus
seinen Wercken zuerlangen. Nachgehends haben einige albereit
dergleichen Fundamenta theils bey mir / theils bey andern geleget /
lassen sich aber daran nicht genügen; sondern suchen mehrere Ge-
legenheit in solchem Studio zuwachsen: da sie sowol dessen Weit-
läufftigkeit / als Anmuths—volle Nothwendigkeit ersehen und er-
kennen / daß keiner heut zu Tage den Nahmen eines rechtschaffe-
nen Philosophi, oder Weltweisen führen könne/ der sich in diesem
edelsten Theil natürlicher Erkäntniß nicht geübet. Drittens
kenne auch viele curieuse Gönner und Freunde von anderen Profes-
sionen, welche nicht sowol einen vollkommenen Begrieff der gan-

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Natur—Weißheit / als nur einige Cognition von dieser und jener
dahin gehörigen Curiosité belieben / auch zum Theil in diesem Ab-
sicht mich besuchen / aber nicht allemal in solcher Zubereitung
finden / daß Ihnen nach Wunsch / und mit geziehmender Accura-
tess ein anständiges Experiment vormachen kan. Damit nun Ih-
nen sämtlich zu schuldigem Dienst und Gefallen lebe; bin resolvi-
ret / unter GOttes Beystand / künfftigen Sommer / an gewöhn-
lichen Ort / meine Beruffs—Arbeit nach dieser dreyfachen Absicht /
auf nachfolgende Weise einzurichten. Erstlich zwar denen An-
fängern zuhelffen / werde täglich / außer Mittwoch und Sonna-
bend / die Stunde von 9 biß 10 Vormittag zu einem Collegio
Physico Fundamentali anwenden / darinnen die Grund—Sätze der
neusten Naturkündiger / nach Anleitung Hn.D. Johan Jacob
Scheuchzers im Kern der Natur—Wissenschafft / in Frag und
Antwort ordentlich und deutlich vortragen / die in der Erfah-
rung gegründete Sätze mit auserlesenen Experimentis beweisen/
und alles durch öfteres repetiren erleichtern. Zu diesen Lectioni-
bus invitire die Herren Studiosos Philosophiæ, wes Alters / Stan-
des und Condition sie sind / sie sollen alle von mir nach Mög-
lichkeit accommodiret werden. Die Alten werden neue Warhei-
ten / die Jungen kurtzen und gründlichen Unterricht vernehmen:
die Armen sowol als die Reichen sollen einerley Vortrag hören
und einerley Experimenta sehen; nur da die Vermögenden ein klei-
nes Honorarium zur Unterhaltung des Collegii und zu Verbesse-
rung der dazu gehörigen Instrumentorum mir zuwenden / wirds bil-
lich seyn / mehrere Commodité im Sitzen und Zusehen ihnen zu-
gönnen. Die Herren von Adel / und so ad Jura adspiriren, haben
keine unanständige Subtilitäten und Scholastische Controversien zu-
befürchten: Ich gehe bloß auf Sachen und menge mich in keinen
Wörter—Streit und Feder—Kriege / welche heut zu Tage auch
Bürgerlichen und zur Schulen gewöhneten Ohren nicht anders
als das Summen der verdrüßlichen Fliegen und Wespen vor-

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kommen. In meinem Vortrage bediene mich wegen mehrerer
Deutlichkeit / und besserer Application auf das gemeine Leben / un-
serer Teutschen Mutter—Sprach / in welcher die Physic, nach der
heutigen Verbesserung / ohne dunckele Wörter / so klar und deut-
lich kan abgefasset werden / daß auch ein Ungelehrter dieselbe zu-
begreiffen fast fähig ist. Und obschon hiebey von der studiren-
den Jugend / welche theils unter fremder Direction stehet / theils
durch die Erfahrung klug worden / die wenigste Contradiction ver-
muthe; so kan mir dennoch leicht die Rechnung machen / daß man-
cher Partheyischer Liebhaber des Alterthums / seinem angehen-
den Academico viele Dubia dawider einblasen und daheim ins Ohr
sagen wird: Mein / wirds heissen / das sind Novitäten! so
habe ich nicht studiret / du must gründlicher geführet
werden / ich will besser vor dich sorgen / geselle dich zu ei-
nem Collegio Physico da du die sana principia Aristotelis, ge-
mäß unsern Academischen Statutis, hören kanst: ich ha-
be noch das Collegium Conimbricense, den Alten Havenreute-
rum, und andere rare Commentatores über ehrengedachten
Philosophum, die will ich dir / nach gelegten Fundamentis,
gerne abstehen. Hieraus haben unsere Vorfahren ihre
Weißheit hergenommen / hieraus kanstu auch ein Mann
werden / laß sich die Neuen mit der Erfahrung breit
machen / bleib du bey der Scientz, welche dir gnug seyn
kan / in der Theologie, Jurisprudentz, und Medicin fortzu-
kommen: Damit dich aber diese und dergleichen Einwürffe/
mein lieber Cosmophile, von mir nicht abschrecken / so höre / was
ich dir zur Vertheidigung meines Vorhabens an die Hand ge-
be: Weistu sonst durch deinen Witz und Verstand zuverhüten/
daß dir an stat einer verlangten Galanterie, nichts unanständiges/
oder verdrüßliches / als etwa ein Degen von 3 Elen / mit einem
breiten Haukorb / oder ein paar Handschuh mit schwartzen Fran-
gen aufgebürdet werde; so habe zu dir das Vertrauen / du wer-

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dest einen dir recommendirten altväterischen Zierath deines Ver-
standes eben so wenig annehmen / wenn ich dich auf bessere und
wolanständige Mode zu philosophiren weise. Heist man meine
Arbeit eine Neuerung / so wisse dä sie schon vor vielen Jah-
ren allhie im nützlichen Gebrauch gewesen. Neue Erkäntniß ist
besser / als alte Einfalt. Wer mit verschimmelten Meinungen
die Hirnfächer angefüllet / hat an wahrer Gelehrsamkeit noch
grossen Mangel: sein Studiren ist Klugen kein Exempel / und
seine Weisung keine Regel. So wenig des Cartesii Degen unter
dem Peripatetischen Mantel / so wenig lässet sich die neue Lehr—
Art unter der Decke der Vorurtheile des Alterthums beurthei-
len. Ein jeder meinet den besten Grund zulegen / ein unpar-
theyischer aber kan davon am besten judiciren. Will man dich
auf die vermoderten Sätze de materia prima & DEO coæterna,
formis substantialibus, natura naturante & naturata, de vacuo, infini-
to, elementorum qualitatibus substantialibus, calido frigido, humi-
do sicco, gravitate levitate, de cœlo solido, primo mobili, sphæra
ignis, antiperistasi, generatione lapidum ex fumo, und dergleichen
verlegenen materialien weisen; so urtheile selbst von diesem Grun-
de / da du das hieraufgerichtete Gezimmer der Aristotelischen Phy-
sic, von allen Seiten der Welt so eingeriessen / und gar auf Bäb-
stischen Boden so ruiniret siehest / daß auch kein vernünftiger
Scientiarum Architectus es wieder aufzurichten sich getrauet.
Solte wol der Geist des Irrthums alle Keyserliche / Königliche
Societäten und Academien in Deutschland / Franckreich / Enge-
land und Italien so eingenommen haben / daß sie nichts gründ-
liches mehr besitzen; nachdem jene nach den alten Grund—Sätzen
ihre Welt—Betrachtungen nicht mehr einrichten: auf diesen aber
weder die Professores Physices die alte Leyer spielen / noch die Stu-
denten darnach tantzen wollen. Ich mag nicht weitläuffig
seyn / sonst könte durch Gegenhaltung der vorigen Finsterniß ge-
gen das heutige Natur—Licht den schwachen Grund der alten Lehr—

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Art offenbar beweisen. Vielleicht ereignet sich Gelegenheit die-
ses mit mehreren Umbständen auszuführen. Doch kan nicht un-
terlassen / mit zwey oder drey Exempeln die angegebene Warheit
zubekräfftigen. Was düncket dir von der Weißheit / wenn ein
Philosophus ex Aristotele von der Bewegung schreibet: motus est
actus ejus quod potentia est, quatenus tale est, Die Bewegung ist die
Würcklichkeit dessen was in der Macht ist / so fern es
in der Macht ist. Ists nicht deutlicher / wenn ich sage: Die
Bewegung ist eine Veränderung des Orts / nach wel-
chen eine Sache bald hie / bald dorten anzutreffen? Wer
verstehet diese Erklärung des Lichts: Lumen est actus pellucidi,
quatenus pellucidi, Das Licht ist eine Würcklichkeit des
durchsichtigen / so fern es durchsichtig ist. Was ist da-
gegen deutlicher / als wenn ich spreche: Das Licht ist ein stra-
lender Ausfluß des Feuers / welches die durch einige Gläser
in ein finsteres Gemach fallende Sonnen—Strahlen beweisen.
Vom Feuer geben die Aristotelici ohne Consens ihres Heerfüh-
rers eine Definition: Ignis est elementum absolute leve, siccum & ca-
lidissimum, Das Feuer ist das leichteste / trockene und heis-
seste Element. Dagegen beweisen die Neuen I. Daß zwar
durchs Feuer etwas, aber aus Feuer nichts generiret werde/
und also dieses kein materialischen Theil / weder eines Dinges /
noch der zwieblförmigen Welt der Aristotelicorum seyn könne. II.
Daß alles Feuer / ja selbst die Sonnen—Strahlen / nach glaub-
würdiger Erfahrung schwer sind. III. Daß das Feuer auch die
festesten Cörper durchdringe / und mehr als Wasser und Lufft/
nach Aristotelischer Art zureden / flüßig sey. IV. Daß die Wär-
me nicht zum Wesen des Feuers gehöre; sondern als eine daraus
fliessende Eigenschafft / bloß auf unserer Erfindung beruhe: Sin-
temal das Feur nichts anders ist / als eine hefftige Auflö-
sung natürlicher Cörper / derer kleinste Theile / durch
ein eindringendes gar subtiles Wesen. Wer lehret von

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beyden gründlicher? Hundert andere Exempel könte ich hieher se-
tzen / mag aber mein künfftiges Concept nicht abcopiren. Nicht
alle Sorge gereicht zum guten / mehrmalen ist Sorgen ein ver-
rathen. Und wie will der zur Gesundheit rathen / dessen Appetit
verdorben ist. Was Diogenes verdauet / kan Aristippus nicht ver-
tragen. Die Principia Aristotelis mögen annoch dicköpfichten
Thomisten, kaum aber subtilen Naturæ Curiosis heut zu Tag ge-
sund seyn. Was unsere Vorfahren in Vernunfft—Sachen zu ih-
rer Zeit beliebet / macht uns so wenig Obligation, als das
Compendium Physicæ Hermolai Barbari, und des Melanch-
thonis Bücher de Anima, welche auch vormals offentlich er-
kläret / itzo aber in nützliches vergessen gestellet werden. Aristo-
teles ist vor diesem den Philosophis in die Hand gegeben / nicht
daß man ihn unter tausend Summulas, Quodlibeta, Pansophias,
Cursus, Collegia, Enchiridia, Compendia, meletemata, quæstio-
nes, regulas, Canones vergraben; sondern damit zum besten der
Gelehrsamkeit wuchern solte. Wo ist aber von so vielen Seculis
der Wucher? Wo sind die Warheiten? Wo die Inventa, womit lb/>das letztere Seculum die Aristotelischen Wörter—Krähmer beschä-
met? Wäre es gleich ohne Schaden / wenn man auf Academien
die Lehr—Sätze der Alten Philosophischen Secten / sie möchten seyn
der Barbarn / oder Griechen / zum Andencken des Alterthums/
historice tractirete; so ist es doch in Warheit eine grosse Säum-
niß junger Leute / daß man sie zu solchen Philosophischen Glau-
bens—Lehren anführet / die sie mit den anwachsenden Jahren theils
verwerffen / theils verbannen müssen. Werden die Opera Ari-
stotelis von seinen hitzigsten Vorfechtern zwar mit Worten / aber
in der That so wenig æstimiret / daß sie dieselbe in einer guten
Edition nicht einmal zukauffen / geschweige in seiner Sprache zu-
lesen und zuverstehen sich bemühen / so sind die darüber verfertigte
Commentarii bey Studenten gewiß unnützes Haußgerath. Zum
wenigsten werden diese daraus keine Männliche Weißheit schöpf-

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fen. Die Perlen / so unsere Vorfahren daraus gelesen / beloh-
nen nicht die Mühe; man findet sie heut zu Tage an reichern
Oerten. Natürliche Weißheit ohne Erfahrung ist lauter Dunst;
Was wir wissen fliest aus der Erfahrung: denn hieraus kom-
men Sätze / und aus den Sätzen entstehen Scientien. Wer an-
dern die Erfahrung / Ihm aber das Wissen in Physicis zueignet/
ist unter falschgelehrte Grillenfänger und Phantasten zuzehlen.
Was nutzen die AristotelischePhysic in höhern Studiis schaffe / ist
leider offenbar; indem in der Theologie der übel erklärte Syllogis-
mus ex motu pro probanda DEI existentia, in Juristischen Contro-
versien die Sympathia und Antipathia, in der Medicin die Virtutes
animæ in IX desinentes, als: Generatrix, Corruptrix, Altrix,
Augmentatrix, Diminutrix, Alteratrix, Coctrix, Expultrix,ec
zu dienen sich zwar anbieten / aber nicht admittiret werden. Ich
könte mehr / mein lieber Cosmophile, zu deiner Warnung und
meiner Vertheidigung melden; dein feuriger Geist aber braucht
keinen Zunder. Vernimm meine Gedancken von dem andern
COLLEGIO, welches den Nahmen eines CURIOSI führet: hier-
innen verspreche Mittwochs und Sonnabends von 9 biß 10
Uhr Morgens / allen curieusen und zur Physic lust—tragenden Ge-
müthern / gegen einen geringen Recompens, die zur gründlichen
Erforschung der Natur dienliche Werckzeuge / als die Lufft—
Pompe / mit ihren neuen und vielfältigen Pertinentien, die
Wind—Büchsen / Thermometra, Barometra, Hygrometra, oder
allerhand Arten von Wetterm‐Calendern / Wasser—Künste/
Wind—Kugeln / Sprach— und Höhr—Röhre / Vergrös-
serungs— und Fern—Gläser / Polemoscopia, Brenn—Spiegel/
Laternas Magicas, Phosphoros æthereos, Mechanische und Statische
Machinen, allerhand Globos und Spæras, und sehr viel andere der-
gleichen / mehrentheils nach dem Fall der Aristotelischen Monarchie
erfundene und verbesserte Instrumenta, historice, mechanice und
Physice zuerläutern / dergestalt / daß ich bey Aufzeigung unter-

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schiedener Gattungen bemeldeter Instrumentorum, von derselben
Erfindung / Verbesserung / Zubereitung / Anschickung / Vor-
theil / Fehler und Nutzbarkeiten in der Physic und andern Künsten
handele. Wodurch verhoffe ein geneigtes Auditorium zu mehre-
rer Attention und Bewunderung der Wercke GOttes nicht nur
aufzumuntern; sondern auch geschickter zumachen: wenn ihnen ein
und anderes wolfeiles Instrument zuverfertigen lehren / die übri-
gen kostbaren aber / nach allen Umbständen bekannt machen
werde. Zwar wird auch hinwider mancher sich vernehmen las-
sen: das sind Sachen vor Professores Physicæ, die müssen
solche Instrumenta haben und damit wissen umbzugehen;
Studenten können sie nichts nützen / sie verderben da-
mit das Geld und andere Studia. Wenn junge Leute pre-
digen / advociren und curiren können / haben sie gnug ge-
lernet / davon müssen sie ihr Brodt haben; das übrige
sind nur brodtlose Künste / welche den Beutel schwä
chen und nicht füllen: Wer bezahlt ihnen solch studiren?
Ich achte aber solchen Vorwurff viel zu gering / als daß darumb
mein Vorhaben einstellen müste. Wenn Professoribus Physices
allein gebühret / dessen sie sich im Unterricht der studirenden Ju-
gend bedienen / so dörffte kein Student ein gut Gesicht / oder eine
verständliche Rede haben / derer ein Docens in diesem Studio un-
möglich entbehren kan. Wie viel Studiosi haben bessere Bücher
als Professores, und wissen sie auch wol zunutzen: brauchet diese
Instrumenta ein Professor die Natur—Lehre zu demonstriren / so
braucht dieselben ein Liebhaber zum speculiren. Die wenigsten
vorangeführter Erfindungen kommen von Professoribus: die mei-
sten Curiosa in Italien / Franckreich / Engeland und Deutschland
sind bey Privatis und theils vornehmen Standes Personen an-
zutreffen; Muß ein Professor einen vollständigen und theuren
Apparatum selbst besitzen; so kan ein junger Mensch davon wol et-
was wissen / und kommts ihm wol zustatten / wenn er nach und

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nach davon ihm etwas anschafft. Die drauf gehende Zeit und
Unkosten sind unverlohren. Mich reuet nicht auf curiosa einige
Stunden / wol aber auf Logicalische Controversien manche Nacht
verwendet zuhaben. Wer die Zeit mit Speculiren und Künstlen
passiret / behält zum müßigen Tobacks—Rauchen und gewinnsich-
tigen Spielen wenig übrig. Die Kinder / so mit Puppen spie-
len werden gute Wirthen / und Studenten so mit Instrumentis
sich etwas zuthun machen / werden scharfsinnige Philosophi: Die
Ausgaben an die Ihrigen / wissen Eltern ohne dem zu menagiren /
daß sie nicht leicht zu viel drauf wenden. Das Christenthum / das
Recht und unsere Gesundheit würde mehrere Hülffe finden /
wenn junge Leute mit besserer Unterweisung und Ausübung
sowol des Verstandes zur Weißheit; als auch des Willens
zur Gerechtigkeit / nicht nur durch das / was schon bekannt;
sondern auch was unbekannt / durch vorgedachtes Mittel / als
das Grund—Stück / zu höhern Scientiis und Tugenden / nach Art
der klugen Griechen und ersten Christen / ohne alles Widerspre-
chen und disputiren gelangeten. Zu beklagen ist es / daß Pre-
diger aus Concepten, die Juristen / nach dem Mund—Werck / die
Artzte nach dem Prahlen und gemeinen Ruff geschätzet werden.
Wäre die Bauch—Sorge und der Eigennutz nicht allenthalben
eingerissen / würden auch Christliche und gelehrte Männer / die
bey der Jugend grossen Nutzen schaffen / auf Academien und
Gymnasiis keinen Mangel leiden. Solte man ihre Arbeit nach
Verdienst belohnen / würden ihre Beutel sowol als bey Predi-
gern / Politicis, und Medicis voll werden. Wird manchem halb-
gelehrten von anderer Profession, sein weniges Studium mit rech-
ten Juden—Intressen bezahlet; warumb ist man gegen andre /
die in ihrem Beruff es ihnen sauer werden lassen / karg und fil-
tzig? Warumb hält man eine mit vielen Legenden und Aber-
glauben angefüllete Predigt vom Cometen, Sonnen—Wunder /
Blut—Regen / und dergleichen Sieben—Sachen / grösserer Ge-

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schencke werth / als eine darob gestellete gründliche Academische Lection?
Warum ist ein Satz von 10 Reigen kostbarer / als eine vielbögige und
mit schwerer Mühe dem Respondenten eingebleyete Disputation?
Warumb belohnet man liberaler ein Recept zu Reinigung des Ma-
gens als eine Anweisung zu Besserung des Verstandes? Man schätze
einen jeden nach seinem Verdienst und Arbeit / so wird ein jeder auch
von seiner Kunst sein Brod haben. Endlich muß auch mit kurtzen mel-
den / wie künfftig allen geneigten Gönnern und Förderern meines Stu-
dii, so daran ihr belieben in angenehmer Visité bezeugen / mit möglich-
ster Willfährigkeit gedencke zugefallen zu seyn. Ich habe bißher / nach
den Gesetzen der Höflichkeit / einem jeden insbesondere zu aller Zeit mit
meinem wenigen Vorrath aufgewartet: weilen aber bey dergleichen viel-
fachen und unverhofften Auffordrungen / die Instrumenta sehr abgenützet /
und die wenigsten Experimenta richtig können vorgestellet werden; dage-
gen aber meiner geehrten Gönner Autorité / in Ordinaire Collegia so un-
gern descendiret / als dero vollkommener Verstand mit meiner schwachen
Erudition sich vergnüget, so hoffe derselben Gewogenheit in angenehmern
Zuspruch ferner beyzubehalten / wenn ich Sie sämtlich / geliebt es GOtt /
nach Ostern alle Mittwochs zwischen 2 und 4 Uhr Nachmittag / in Abwe-
senheit der Herren Studiosorum, mit einigen fertigen und nach Gelegen-
heit der Zeit und Witterung angeschickten Experimentis zu bedienen mich
obligire. Ein mehreres plaisir würde unserer Versamlung zuwachsen /
wenn durch freywillige Vorsorge / die hin und wieder in den Familien
dieses Orts aufbehaltenen Rariora naturæ & artis, oder natürliche und
künstliche Seltzsamkeiten / zu Untersuchung und Vermehrung meiner Ex-
perientz, auf eine kurtze Zeit mir communiciret würden. Ich könte
hieraus Gelegenheit nehmen / die vornehmsten Merckwürdigkeiten dersel-
ben mit einigen Gedancken / in Gegenwarth meiner Gönner und Freun-
de zuerläutern. So wie inzwischen mit diesem meinen dreyfachen Vor-
haben nichts anders / als das Aufnehmen der studirenden Jugend / und
meine selbst eigene Erbauung / nebst der daraus fliessenden Recommen-
dation meines Studii intendire; Also lebe der ungezweiffelten Hofnung /
daß alle redlich gesinnete Liebhaber wahrer Gelehrsamkeit / solches wol-
meinend und im besten aufnehmen / GOtt aber dazu seine Gnade verlei-
hen / und dasselbe nicht nur fördern; sondern auch dahin ausführen wer-
de / daß dadurch seines Nahmens Ehre verherrliget / und wir in seiner
Furcht und Liebe zuwandeln mehr und mehr veranlasset werden.